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tma: Frau Reinhart, glauben Sie, dass die Shutdown-bedingte Krise dem Controlling im Theater einen Bedeutungsaufschwung verleihen wird?
Bettina Reinhart: Das Controlling wird in der Phase, in der wir bedingt durch die CORONA-Pandemie mit permanenten Änderungen und neuen Planungsgrundlagen konfrontiert sind, meines Erachtens nach, eine noch wichtigere Rolle spielen als bislang, da von den Zuwendungsgebern derzeit immer wieder gefordert wird, entsprechende Szenarien und Hochrechnungen mit den finanziellen Auswirkungen der Pandemie und der entsprechenden Schutzmaßnahmen auf die jeweiligen Kulturinstitutionen zu ermitteln. Entsprechende Planungs-Tools, die einen Forecast ermöglichen, werden zunehmend wichtiger in der täglichen Arbeit. Das Theaterhaus Stuttgart hat bereits 2019 in eine Erweiterung der bestehenden FiBu-Software investiert, die eine solche Funktionalität für die Erstellung von Hochrechnungen beinhaltet.
tma: Wo sehen Sie aktuell und für die nächste Spielzeit die größten Herausforderungen für das Theater-Controlling?
Bettina Reinhart: Nach wie vor ist die Herausforderung die, mit Hilfe der Servicefunktion Controlling, für den Theaterbetrieb größtmögliche Transparenz zu gewinnen, damit Zusammenhänge und Wirkungen sichtbar werden und als Entscheidungsgrundlage einen wichtigen Beitrag zur zielorientierten Steuerung liefern. Die bereits skizzierten häufigen Änderungen der Planungs-Rahmenbedingungen müssen kontinuierlich in entsprechende Controlling-Systeme der Theater eingepflegt werden, um eine stets aktuelle und konsistente Datenbasis als Grundlage für die entsprechenden Berichte und Auswertungen zu erhalten. Oft sind jedoch die Verwaltungen und Controlling-Abteilungen der kleinen und mittleren Theaterbetriebe im deutschsprachigen Raum nur sehr dünn besetzt oder durch Kurzarbeit nun in einem noch geringeren Umfang als ohnehin besetzt, dass diese Flut an sich immer wieder ändernden Koordinaten für das Controlling eine enorme Herausforderung darstellt, um zu gewährleisten, dass die Daten die nötige Aktualität besitzen.
tma: Wie kann es Ihrer Meinung nach gelingen, ein Controlling mit weichen, qualitativen Kennzahlen zu stärken?
Bettina Reinhart: Für Theaterbetriebe ist es wichtig, zunächst konkrete Ziele, auch qualitativer Art festzulegen, auf die sich die Arbeit hin ausrichtet. Dies ist die Grundvoraussetzung für ein Controlling, das auf diese Ziele aufbaut. Daher sollte zunehmend an entsprechenden (Wirkungs-) Zielsystemen gearbeitet werden, da diese längst noch nicht bei allen Kulturbetrieben als zwingend notwendige Grundlage vorhanden sind.
Das Theaterhaus Stuttgart hat sich 2018 bei der Erarbeitung einer Balanced Scorecard über qualitative Kennzahlen Gedanken gemacht, die als qualitative Indikatoren z. B. die Nominierung für nationale und internationale Preise oder die Präsenz in überregionalen Medien oder auch positive Ergebnisse aus Besucherbefragungen beinhaltet.
tma: Wie wird die zunehmende Digitalisierung die gängige Controllingpraxis an Theatern verändern?
Bettina Reinhart: Es kommt meines Erachtens im Theaterbereich gerade zu einem enormen Digitalisierungsschub in den Häusern, die diesbezüglich bisher noch nicht so optimal aufgestellt waren. Die unterschiedlichsten Prozesse werden zunehmend Schritt für Schritt digitalisiert, da bedingt durch eine stärkere Verbreitung der Arbeit im Home-Office auch im Kulturbetrieb nun auf Möglichkeiten gesetzt werden muss, die Arbeiten, die sonst noch analog vor Ort durchgeführt wurden, z. B. die Rechnungsbearbeitung, künftig digital zu bearbeiten. Wie bereits skizziert, wird es sicher auch zu einer intensiveren Nutzung von entsprechenden Software-Tools kommen, wie etwa Business Intelligence-Systemen oder Zusatzmodulen der jeweiligen FiBu-Software. Das Theaterhaus Stuttgart hat in der CORONA-Krise die bereits 2018 begonnene Digitalisierung enorm forciert und nutzt künftig nun ebenfalls Zusatzmodule der bestehenden FiBu-Software für Dokumentenmanagement, Digitale Rechnungsverarbeitung sowie für Controlling in Form eines Budget-Cockpits.