Oktober 22, 2024
//Foto: Pawel Sosnowski

Interview mit Dr. Daniel Morgenroth zum Namenssponsoring am Theater

Foto: Pawel Sosnoswski

Herr Dr. Morgenroth, Ihre Ankündigung, Anfang September einen Namenssponsor für das Gerhart-Hauptmann-Theater in Görlitz und Zittau zu suchen, hat für einige Aufregung in der Theaterszene und der Stadtgesellschaft gesorgt. Kritiker:innen sprechen u.a. von „Entwürdigung“ des Theaters, andere fürchten Einflussnahmen auf das Programm. Warum, glauben Sie, ist es in Deutschland immer noch so problematisch, wenn Kultur und Wirtschaft kooperieren?

Dr. Daniel Morgenroth: Kultur und Wirtschaft kooperieren in vielen Bereichen ja sehr fruchtbar, aber natürlich sind wir als Kulturbetrieb dauerdefizitär angelegt, das heißt eben gerade der ökonomischen Sphäre entrückt. Zum anderen wohnt unseren Aktivitäten aber immer noch auch der Geist des sogenannten „Guten, Schönen und Wahren“ inne, also dem Ideal der Hochkultur. Dass man das mit ökonomischen Realitäten in Verbindung bringt, empfinden viele Menschen als Befleckung dieser Ideale. Letztendlich rührt die Debatte um die Benennung unseres Theaters an eine ganze fundamentale Frage: Gibt es Dinge, die der ökonomischen Sphäre entzogen sein sollten, die zu wertvoll sind, um sie zu handeln oder zu verkaufen?

tma: Welche Reaktionen haben Sie am meisten überrascht?

Dr. Daniel Morgenroth: Am meisten überrascht hat mich eine gewisse qualitative Differenzierung bei der Namensgebung. Beispielsweise wurden globale Konzerne wie Coca Cola oder Waffenhersteller als nicht verhandelbar empfunden, bei der Benennung des Theaters nach einem lokalen Sponsor, wie etwa fit oder Birkenstock, hätten sehr viele Menschen aber kein Problem damit.

tma: Wie wird die Idee des Namenssponsorings aus Ihrer Sicht im Gerhart-Hauptmann-Theater selbst vom Ensemble und den Mitarbeitenden aufgenommen?

Dr. Daniel Morgenroth: Die Idee wird überall kontrovers diskutiert. Bei den Kolleginnen und Kollegen mache ich ganz stark die Erfahrung, dass sie diese Debatte als sehr fruchtbar empfinden.

tma: Warum wurde Ihrer Meinung nach ein solcher Ansatz nicht schon früher im Theaterbereich praktiziert?

Dr. Daniel Morgenroth: Wahrscheinlich aus den genannten Gründen: Die öffentlich getragenen Theater und Orchester sind zu weiten Teilen der Logik des Marktes immer noch entzogen, mit Eigenerwirtschaftungsquoten von meist weit unter 20 Prozent. Die öffentliche Hand leistet sich uns, weil sie einen Mehrwert sieht, der über ökonomische Erwägungen hinausgeht. Gerade deshalb war es nicht notwendig, solch radikale Schritte der Profitabilität zu gehen wie beispielsweise im Sport.

tma: Welche Firmen haben bereits angefragt? Gibt es schon konkrete Interessenten?

Dr. Daniel Morgenroth: Es gibt zwei konkrete Anfragen, zu denen ich mich im laufenden Prozess aber noch nicht äußern will.

tma: In welcher Größenordnung erhoffen Sie einen Zufluss an Finanzmitteln aus dem Namenssponsoring?

Dr. Daniel Morgenroth: Wir warten noch weitere Interessenten und Gebote ab, aber sechsstellig müssten Gebote sicher sein.

tma: Wie beurteilen Sie die Gefahr, dass sich die öffentlichen Träger weiter aus der Förderung des Theaters zurückziehen, je mehr Geld aus der Privatwirtschaft zufließt?

Dr. Daniel Morgenroth: Diese Gefahr besteht tatsächlich. Bereits seit Jahren stagnieren die Zuschüsse der öffentlich Träger und sind damit sinkend – genau mit dieser Realität sind wir ja konfrontiert. Letztendlich kann das, was wir bieten, nämlich ein anspruchsvolles Theater in der Breite für alle Schichten zugänglich, erschwinglich und ansprechend vom freien Markt nicht bereitgestellt werden. Sonst haben wir hier nur noch Musicalpaläste mit lang laufenden Shows, das ist aber nicht unser Auftrag. Die öffentliche Hand korrigiert mit unserer Existenz ein klassisches Marktversagen.
tma: Vor Corona kamen knapp 130.000 Besucher:innen zu den gut 500 jährlichen Veranstaltungen der Häuser in Görlitz und Zittau. Die Statistik des Bühnenvereins weist für die Spielzeit 21/22 knapp 64.000 Besucher:innen aus. Zuletzt waren es wieder über 150.000. Was sind Ihrer Meinung nach die drei stärksten Argumente für ein Engagement als Namenssponsor beim Gerhart-Hauptmann-Theater in Görlitz und Zittau?

Dr. Daniel Morgenroth: Ich denke, dass Namensrechte-Sponsoring ist besonders interessant für Unternehmen, die einen Übertrag ihrer Marke zur Hochkultur suchen. Das Theater steht für klassischen Musikgenuss, Musiktheater, Tanz und Schauspiel und bringt Konnotationen von Bildungsbürgertum, von Eleganz, aber auch Intelligenz, Lebensart und Bildung mit sich. Das ist riesiges Plus, wie ich mir vorstellen kann, beispielsweise für eine Brauerei oder ein technisches Industrieunternehmen. Gleichzeitig wird die beworbene Marke als Mäzen, als Förderer der schönen Künste und Philanthrop wahrgenommen, auch das dürfte für viele Marken reizvoll sein, insbesondere, wenn sie ein positiveres Image in der Öffentlichkeit suchen wollen wie zum Beispiel Rüstungsfirmen.

tma: Was sagen die Träger der Theater GmbH, also die Verantwortlichen der Beteiligungsgesellschaft des Landkreises Görlitz mbH, des Landkreis Görlitz, der Stadt Görlitz und der Stadt Zittau zu dem neuen Sponsoringansatz? Inwieweit hat Ihr Ansatz nach Ihrem Eindruck dort die Förderbereitschaft belebt?

Dr. Daniel Morgenroth: Ich kann im Moment weder feststellen, dass die Förderbereitschaft gestiegen noch gesunken ist. Unsere Gesellschafter unterstützen uns nach Kräften, aber die Kräfte der kommunalen Hände, die in den vergangene Jahren vom Bund mit Aufgaben überhäuft wurden, ohne adäquat kompensiert zu werden, sind begrenzt.

tma: Werden wir Ihrer Meinung nach in Zukunft häufiger erleben, dass Theaterhäuser, ähnlich wie Sportarenen, die Namen von Sponsoren tragen werden?

Dr. Daniel Morgenroth: Mal schauen, ob wir hier zum Vorreiter werden.