April 17, 2025
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Nach dem Ticket-Kauf ist vor dem Erlebnis: Über eine häufig vernachlässigte Phase

Foto: wayhomestudio auf Freepik

Ein Fachbeitrag von Jürgen Preiß, Herausgeber theatermanagement aktuell und Audience-Development-Berater

Ein Klick – und das Ticket ist gekauft. Ein Platz in der vierten Reihe, Samstagabend, großes Haus. Die Entscheidung ist gefallen, die Vorfreude kurz spürbar, ein Moment der Zufriedenheit. Das Theater hat einen weiteren Platz besetzt, ein weiterer Besuch ist gebucht. Doch während der Bestellprozess abgeschlossen scheint, beginnt für die Besucher:innen gerade erst ein entscheidender Abschnitt: die Wartezeit.

Was in vielen Customer-Journey-Strategien als Ziel betrachtet wird – der Kauf eines Tickets –, ist in Wahrheit ein Zwischenschritt. Zwischen dem Erwerb und dem Moment, in dem sich der Vorhang hebt, vergeht oft mehr als nur ein paar Tage. Es können Wochen, manchmal sogar Monate dazwischenliegen. Und genau in dieser Zeitspanne, in der scheinbar nichts passiert, entscheidet sich viel, z.B. wie sehr sich ein Theaterbesucher oder eine Theaterbesucherin mit dem Haus verbunden fühlt. Ob die Vorfreude wächst – oder versiegt. Ob aus einem einmaligen Erlebnis ein dauerhafter Kundenkontakt wird.

Diese Pre-Experience-Phase wird noch oft vernachlässigt und wenig strategisch genutzt. Dabei birgt sie enormes Potenzial. Sie ist nicht nur relevant, sie ist essenziell – vor allem im digitalen Zeitalter, in dem die Beziehung zwischen Publikum und Theater über viele verschiedene Kanäle und Berührungspunkte gepflegt werden kann.

Der Zeitraum zwischen Kauf und Bühne

Ein Theaterbesuch beginnt nicht erst mit dem Einlass. Er beginnt im Kopf. Ist der Entschluss gefasst und das Ticket gekauft entsteht ein inneres Bild: von der Atmosphäre, der Geschichte, dem Abend. Dieses Bild hat es in sich. Es kann sich verdichten, farbiger und lebendiger werden – oder verblassen, zwischen Terminen, Alltag, E-Mails.
Für viele Menschen ist der Theaterbesuch ein bewusst gewähltes Erlebnis. Er bedeutet: sich Zeit nehmen, sich auf etwas einlassen, vielleicht sich auch selbst etwas Gutes tun. Gleichzeitig kann er Fragen aufwerfen: Wann beginnt die Vorstellung genau? Was ziehe ich an? Muss ich vorher etwas wissen? Wo kann ich parken? Komme ich rechtzeitig aus der Arbeit? Was erwartet mich künstlerisch?

Wenn das Theater in dieser Phase präsent ist – durch einfühlsame, informative und gut getimte Kommunikation – dann wird der Besuch nicht nur organisatorisch erleichtert. Er wird emotional eingebunden. Die Verbindung zum Haus wächst. Der Theaterbesuch wird nicht nur ein Ereignis – er wird ein gemeinsamer Prozess.

Vom Moment der Entscheidung zur geführten Reise

Stellen wir uns die nächsten Wochen im Leben einer Theaterbesucherin vor. Direkt nach dem Kauf erhält sie eine E-Mail. Nicht nur eine nüchterne Bestätigung, sondern eine erste Berührung: mit einem persönlichen Gruß, vielleicht einem kurzen Text der Dramaturgin, einem Link zu einem Video über die Probenarbeit. Einige Tage später folgt ein weiterer Kontakt: ein Einblick in das Thema der Inszenierung, Hintergrundinformationen, ein kurzes Interview mit der Hauptdarstellerin. So entsteht ein Spannungsbogen, ähnlich dem eines Theaterstücks: Einführung, Vertiefung, Erwartung. Die Besucherin wird Schritt für Schritt hineingeführt.

In der Woche vor dem Termin wird sie erneut erinnert – freundlich, persönlich, hilfreich. Sie erfährt, wann sie vor Ort sein sollte, wie sie am besten anreist, ob es eine Einführung gibt. Sie fühlt sich abgeholt, willkommen, vorbereitet. Und wenn sie schließlich das Theater betritt, ist sie keine anonyme Ticketnummer. Sie ist jemand, der erwartet wird und sich auskennt.

Erlebnisführung statt Informationsflut

Wichtig ist dabei: Diese Kommunikation darf nie aufdringlich oder belehrend wirken. Sie sollte wie ein dramaturgisch klug gebautes Gespräch funktionieren – informativ, inspirierend, mit einem Gespür für Timing. Theater haben dabei einen unschätzbaren Vorteil gegenüber anderen Branchen: Sie produzieren Inhalte. Probenfotos, Interviews, Hintergrundwissen – all das existiert. Es muss nur zugänglich gemacht und sinnvoll kuratiert werden.

Dabei geht es nicht um Masse, sondern um Relevanz. Ein kurzer Text, ein Zitat, ein Blick hinter die Kulissen kann ausreichen, um das Interesse lebendig zu halten. Die Kunst besteht darin, die Inhalte so zu gestalten, dass sie nicht nur informieren, sondern berühren. Dass sie die Beziehung zwischen Publikum und Haus vertiefen, bevor der erste Ton erklingt oder der erste Lichtwechsel geschieht.

Mehr als Vorbereitung: Bindung und Begeisterung

Aber warum der ganze Aufwand? Wer in der Pre-Experience-Phase kommuniziert, tut mehr als organisatorische Vorarbeit. Er oder sie erzeugt Nähe, macht aus einem bloßen Theaterbesuch ein erweitertes Erlebnis. In einer Zeit, in der kulturelle Angebote im Wettbewerb mit Streamingdiensten, Social Media und Eventfluten stehen, ist diese emotionale Verbindung ein entscheidender Faktor. Sie schafft Bindung. Sie motiviert zur Weiterempfehlung. Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein einmaliger Besuch nicht der einzige bleibt.

Dabei wirken die Effekte oft still und subtil. Ein gut informierter Gast kommt entspannter ins Haus. Eine Besucherin, die sich abgeholt fühlt, ist offener für die künstlerische Erfahrung. Ein Publikum, das sich vorbereitet fühlt, nimmt intensiver teil. All das führt zu einer höheren Gesamtzufriedenheit – und zur Bereitschaft, wiederzukommen, vielleicht sogar ein Abo zu buchen oder Freund:in des Hauses zu werden, über das Erlebnis im Freundeskreis zu erzählen.

Der Weg zur Umsetzung: Kommunikation, die mitdenkt

Viele Theater fragen sich nun: Wie lässt sich das leisten? Woher sollen die Inhalte kommen? Wer kümmert sich darum? Die gute Nachricht: Vieles lässt sich bereits mit den vorhandenen Mitteln realisieren. Und noch mehr lässt sich automatisieren.

Moderne Newsletter-Systeme ermöglichen es, automatisierte Kommunikationsstrecken zu erstellen. Einmal aufgesetzt, läuft eine Folge von E-Mails ganz von allein ab – abgestimmt auf den Zeitpunkt der Vorstellung. Direkt nach dem Kauf startet die Strecke, folgt einem dramaturgischen Zeitplan, reagiert auf das Datum, auf Ticketart oder Vorstellungszeit. Inhalte können dynamisch eingefügt werden – je nach Stück, Ort oder Zielgruppe. Die Theaterbesucherin erhält also nicht irgendeine Nachricht, sondern eine, die passt.

Auch kleinere Theater können hiervon profitieren. Es braucht keine große Redaktion, um ein kurzes Probenbild zu verschicken oder einen Gruß des Regisseurs in Textform zu teilen. Vieles lässt sich aus dem entstehenden Material herausziehen. Die Kunst liegt in der Struktur, nicht im Aufwand.

Die technischen Tools sind heute verfügbar – oft sogar kostenlos oder im Rahmen bestehender Systeme. Die Herausforderung ist nicht technischer, sondern konzeptioneller Natur. Wer sich die Pre-Experience-Phase einmal bewusst macht, wird schnell erkennen: Hier liegt eine der wirkungsvollsten Stellschrauben für ein nachhaltiges Publikumserlebnis. Hier entscheidet sich, ob der Vorhang einfach aufgeht – oder ob das Theater schon längst begonnen hat, zu erzählen.

Fazit: Das Theater beginnt mit dem „Danke für Ihren Kauf“

Anders als in vielen anderen Branchen ist das Ziel der Customer Journey nicht der Ticketkauf. Vielmehr beginnt an dieser Stelle eine neue häufig ungenutze Phase – als Reise voller Möglichkeiten, voller kleiner Momente, in denen sich ein Mensch entscheidet, ob er sich verbunden fühlt. Theater, die diese Reise gestalten, schaffen mehr als ein gutes Event. Sie schaffen Beziehung, Vertrauen und Wiederkehr.

In einer digitalisierten Welt, in der vieles automatisiert werden kann, wird gerade diese persönliche Note zum Schlüssel. Automatisierung muss nicht unpersönlich sein – im Gegenteil: Richtig eingesetzt ermöglicht sie es, viele Menschen individuell anzusprechen, ohne jeden einzelnen Kontakt händisch erstellen zu müssen.

Wer diese Möglichkeiten nutzt, verwandelt die Wartezeit in einen Teil des künstlerischen Erlebnisses. Das Theater beginnt nicht mit dem ersten Lichtwechsel. Es beginnt mit einer Entscheidung – und dem, was danach geschieht.

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